Willkommen! Welcome! Bienvenue!

XAIPETE!

Papyrologie

Papyrus

Papyrologie? - Papyrologie!

"Was ist das? Hat das etwa mit Origami-Falten zu tun?" Meine spanische Kommilitonin schaute mich etwas ratlos an. Den Begriff "Papyrologie" hatte sie offensichtlich noch nie gehört.

"Nein. Es hat nichts mit Origami zu tun", erklärte ich geduldig, "sondern mit Papyrus, dem antiken Beschreibstoff. Ich entziffere jahrtausend alte Schriftstücke aus Ägypten." "Ah, Hieroglyphen", und zwei Augen strahlten mich bei der Vorstellung an, was ich wohl für uralte Geheimnisse entziffere. "Nicht direkt." Und ich räusperte mich verlegen. "Eher Altgriechisch. Hieroglyphen gehören eher in die Ägyptologie. Doch seit der Eroberung Ägyptens durch Alexander den Großen 331 v. Chr. war Altgriechisch Amtssprache im Land der Pharaonen. Und sie sprachen auch noch zur Zeit der Römer dort Griechisch. Erst als die Araber 642 n. Chr. das Land eroberten, starben sowohl Altgriechisch als auch die Papyruspflanze aus, denn die Araber brachten neben Arabisch als Amtssprache als Beschreibstoff Hadern-Papier, also aus Lumpen hergestelltes Papier, mit. Es war billiger und einfacher zu produzieren als Papyrus. Heute werden Hadernfasern nur noch für hochwertiges Papier verwendet, also zum Druck von Banknoten, Bibelpapier, Dokumentenpapier etc."

Die Gemütsregungen im Gesicht meines Gegenübers wechselten während meiner Erklärung von Enttäuschung über Ungläubigkeit bis hin zum Erstaunen. Meine Kommilitonin wußte anscheinend nicht so recht, was sie von all dem halten sollte. Also rettete sie sich in die nächste Frage, um ihre Hoffnungen nicht ganz zerstört zu sehen: "Und was steht auf den Papyrus drauf? Zauber, geheimes Wissen...?" Ich lachte: "Papyri. Der Plural von "Papyrus" heißt im Deutschen "Papyri". Nur in Frankreich sagt man auch Papyrus, wenn man die Mehrzahl meint. Aber egal. Ja, natürlich findet man auf Papyri unter anderem Zaubertexte oder Rezepte für Heilmittel usw. Aber auch königliche Erlasse, Steuererklärungen, Quittungen und Abrechnungen, Einkaufslisten und Privatbriefe. Das ganze Alltagsleben ist uns auf sogenannten dokumentarischen Papyri erhalten. Die literarischen Papyri hingegen enthalten die damalige populäre Literatur."

"Mmmmh." Nachdenkliches Schweigen. "Und das ist interessant?" fragte sie mit einem leisen Zweifel in ihrer Stimme. "Nun, man kann es auf verschiedene Weisen sehen: 1. Wenn man eigenen Papierkram heutzutage erledigen muß, sieht man das alles viel gelassener, denn es ist nichts im Gegensatz zu dem, was es an Verwaltungskram im griechisch-römischen Ägypten gab. Dort wurde man von Pontius nach Pilatus geschickt, und alles mußte man geduldig immer wieder neu schreiben. 2. Man ist als Papyrologe so eine Art Voyeur: Man liest nicht nur Quittungen und Abrechnungen, sondern oft genug auch Privatbriefe, die niemand außer dem Verfasser und dem Adressaten wahrscheinlich gelesen hat. Es ist dabei, als ob die Menschen, die vor Jahrtausenden ihre Probleme und Freuden aufgeschrieben haben, wieder zum Leben erweckt würden. Als ob sie dadurch Unsterblichkeit erlangt hätten. 3. Man kann noch so vieles entdecken. Ich persönlich würde ja am liebsten den fehlenden Teil von Platos Kritias, die Rede des Hermokrates, in der die Lage von Atlantis beschrieben wird, entdecken..." Und ich lächelte bei dieser Vorstellung, meinem kühnen Kindheitstraum. "Aber laß' mich Dir erzählen, was man so alles finden kann..."

Anm.: Natürlich gehört neben dem Entziffern u.a. auch das Edieren des Textes, der auf dem Papyrus steht, sowie das Übersetzen und das Kommentieren desselben zum Tätigkeitsbereich des Papyrologen.

weiter nach oben